Ergebnisse des Weltklimarats

Die Modellrechnungen aus dem aktuellen IPCC-Bericht werden in diesem Artikel zusammengefasst. Wir blicken auf den menschlichen Einfluss auf das Klimasystem, mögliche zukünftige Entwicklungen des Klimas und fragen, was das für Gesellschaft und Politik bedeutet.

Klimamodell

Gliederung

Es ist eindeutig: Der Mensch hat das Klima erwärmt

Zwar ist diese Erkenntnis nicht neu, aber auch in diesem IPCC-Bericht ist das eines der zentralen Ergebnisse und die Belege sind nun noch mal stärker: Der menschliche Einfluss hat das Klimasystem erwärmt, und menschengemachte Treibhausgase sind hauptverantwortlich für die globale Erwärmung und den beobachteten Klimawandel. Die Atmosphäre und der Ozean haben sich im vergangenen Jahrzehnt weiter erwärmt, die Schnee- und Eismengen sind weiter zurückgegangen, der globale Meeresspiegel ist weiter angestiegen und die Konzentrationen der Treibhausgase haben weiter zugenommen.

„Viele Klimaänderungen in der Atmosphäre, den Ozeanen und Eisgebieten erreichen immer neue Höchststände und verändern sich mit Geschwindigkeiten, wie sie seit Jahrhunderten bis vielen Jahrtausenden nicht beobachtet worden sind. Sie finden in allen Regionen der Erde statt, mit vielen beobachteten regionalen Veränderungen von Extremen und anderen klimatischen Einflussfaktoren, die auf den vom Menschen verursachten Klimawandel zurückzuführen sind“, sagt Veronika Eyring, Klimamodelliererin am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und der Universität Bremen sowie koordinierende Leitautorin des Kapitels „Der menschliche Einfluss auf das Klimasystem“ im aktuellen IPCC-Sachstandsbericht.

Die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre ist bis 2019 bereits auf 410 ppm (parts per million, zu deutsch Teile pro Million) angestiegen – das ist beispiellos seit mindestens zwei Millionen Jahren. Die globale Oberflächentemperatur hat sich im Zeitraum von 2011 bis 2020 im Mittel um circa 1,09 Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Zeiten erwärmt, und jedes der vergangenen vier Jahrzehnte war wiederum wärmer als jedes vorangegangene Jahrzehnt seit 1850. „Der menschliche Einfluss ist nicht nur der wesentliche Treiber für die Erwärmung des Klimasystems, sondern auch für die Zunahme von Extremwetterereignissen. Die Häufigkeit und die Intensität etwa von Starkregenereignissen oder Hitzewellen steigen durch den Klimawandel an“, sagt Eyring.

„Der menschliche Einfluss ist nicht nur der wesentliche Treiber für die Erwärmung des Klimasystems, sondern auch für die Zunahme von Extremwetterereignissen. Die Häufigkeit und die Intensität etwa von Starkregenereignissen oder Hitzewellen steigen durch den Klimawandel an.“
Prof. Dr. Veronika Eyring, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt und Universität Bremen

Woher wissen die Forschenden, dass der Klimawandel hauptsächlich von menschengemachten Emissionen angetrieben wird? Einer der vielen Belege dafür ist ein Prozess, der auf Englisch Detection and Attribution – auf Deutsch Erkennen und Zuordnen – heißt. Zum einen sind dafür Beobachtungsdaten nötig, die einen Trend wie den Anstieg in der Temperatur erkennen. Zum anderen Klimamodelle, die den beobachteten Trend bestimmten Antrieben zuordnen. Dabei werden Modellsimulationen, die nur die natürlichen Klimaantriebe wie den Zyklus der Sonne und vulkanische Aktivität berücksichtigen, verglichen mit solchen, die sowohl natürliche als auch menschliche Antriebe berücksichtigen. Durch einen Vergleich der beiden Simulationen sehen die Forschenden: Die beobachteten Temperaturtrends lassen sich nur erklären, wenn die menschlichen Antriebe hinzugenommen werden. Sie sind der Haupttreiber für die Erwärmung. Rechnen die Modelle nur mit natürlichen Treibern, erwärmt sich das Klima in den Modellen nicht wie beobachtet.

Rechnen Klimamodelle nur mit natürlichen Antrieben – hier in blau – wie dem Zyklus der Sonne und vulkanischer Aktivität, lässt sich der aktuelle Temperaturtrend nicht erklären. Das geht nur, wenn menschliche Antriebe – hier in rot – wie Emissionen von fossiler Energieerzeugung, Verkehr oder Landwirtschaft hinzugenommen werden.

Grundsätzlich unterscheiden sich die Erkenntnisse also nicht von früheren Berichten. „Wir sind uns sicher in allen Grundlagen, die wir seit Jahrzehnten kommunizieren“, sagt Dirk Notz, der am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg forscht und im IPCC-Bericht am Kapitel über Ozean, Kryosphäre und Meeresspiegel als Leitautor mitgearbeitet hat. „Alles, was nötig ist, um Entscheidungen zu treffen, ist seit Jahrzehnten hinreichend sicher und klar.“

Wie entsteht ein IPCC-Bericht, und welche Begriffe sollte man kennen?

IPCC-Berichte und Arbeitsgruppen

Der IPCC (Abkürzung für Intergovernmental Panel on Climate Change), auch Weltklimarat genannt, ist eine Institution der Vereinten Nationen. Das heißt, er ist keine Forschungseinrichtung, sondern gleichzeitig ein zwischenstaatlicher Ausschuss von Regierungen und ein wissenschaftliches Gremium. Der IPCC beauftragt Expertinnen und Experten damit, in regelmäßigen Abständen den Wissensstand zur Klimaforschung zusammenzutragen und in Berichten zu bewerten. Diese Berichte geben eine Basis für wissenschaftsbasierte Entscheidungen der Politik, ohne politische Handlungsempfehlungen zu geben.

Die Mitgliedsländer des IPCC diskutieren am Ende des Berichterstellungs-Prozesses die Zusammenfassungen für politische Entscheidungsträger (Summary for Policymakers, kurz SPM). Sie können Formulierungen vorschlagen, auf Basis der zugrundeliegenden Berichte, und müssen der Veröffentlichung zustimmen – allerdings haben die Autorinnen und Autoren das letzte Wort. Insgesamt bedeutet das: IPCC-Berichte sind ein Gemeinschaftsprodukt von Wissenschaft und Regierungen. Die beteiligten Regierungen stehen hinter den Aussagen der Zusammenfassungen, und sie erkennen an, dass diese gelten. Dadurch haben die IPCC-Berichte und die Zusammenfassungen in der internationalen Politik einen hohen Stellenwert und sind wichtig für die Weltklimakonferenzen.

Es gibt drei Arbeitsgruppen, die an den IPCC-Berichten mitwirken:

  1. Arbeitsgruppe I (WGI) fasst den Forschungsstand der naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels zusammen.
  2. Arbeitsgruppe II (WGII) fasst zusammen, wie verwundbar die menschliche Gesellschaft und die natürlichen Ökosysteme durch den Klimawandel sind, und welche Anpassungsmöglichkeiten es gibt.
  3. Arbeitsgruppe III (WGIII) widmet sich politischen, wirtschaftlichen und technologischen Möglichkeiten, den Klimawandel zu bremsen.

Der aktuell erschienene Bericht, der erste Band des Sechsten Sachstandsberichts (AR6), stammt von Arbeitsgruppe I. Mehr als 230 Autorinnen und Autoren aus 66 Ländern haben dafür gemeinsam den aktuellen Stand anhand von mehr als 14.000 in der Literatur begutachteten wissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Klimaforschung bewertet und zusammengefasst.

CMIP6

Die Abkürzung CMIP steht für Coupled Model Intercomparison Project, ein Forschungsprojekt des Weltklimaforschungsprogramms WCRP. Ziel von CMIP ist es, die vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Klimaveränderungen durch einen Multi-Modell-Ansatz besser zu verstehen und vorherzusagen. Das heißt, dass in das Projekt die Simulationen aus vielen Klimamodellen weltweit einbezogen und ausgewertet werden. CMIP startete vor mehr als 25 Jahren als Forschungsinitiative, um die ersten globalen Klimamodelle miteinander zu vergleichen. Heute bündeln weltweit mehrere hundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über das Projekt ihre Expertise. Um Modellergebnisse vergleichen zu können, erarbeitet CMIP unter anderem Standards für Simulationen, Datenformate und Auswertungsalgorithmen. Dadurch bekommen die Klimaforschenden die Möglichkeit, ihre Erkenntnisse unmittelbar untereinander zu teilen, zu vergleichen und zu bewerten. Die Datenprodukte von CMIP stellen damit neben Beobachtungsdaten eine wichtige Quelle für robuste und zuverlässige Klimainformationen dar. Der IPCC greift im aktuellen Bericht der Arbeitsgruppe I auf die Ergebnisse der neuesten Generation des CMIP-Projekts zurück, der Phase 6: CMIP6.

Emissionsszenarien

Für Simulationen der zukünftigen Klimaentwicklung vergleicht der IPCC im Sechsten Sachstandsbericht fünf unterschiedlichen Szenarien, die auf Englisch Shared Socioeconomic Pathways (SSPs) heißen, auf Deutsch gemeinsam genutzte sozioökonomische Pfade. Sie sind eine Weiterentwicklung der Zukunftsszenarien aus dem Fünften Sachstandsbericht des IPCC. Die SSPs unterscheiden sich voneinander unter anderem darin, wie viele Treibhausgasemissionen die Menschheit in Zukunft noch ausstößt, ab wann Klimaschutz betrieben wird und berechnen dann, wann – und ob – Netto-Null-Emissionen erreicht werden können. Netto-Null heißt: Man geht nicht davon aus, dass tatsächlich der Ausstoß aller Treibhausgase auf Null gesenkt werden kann, etwa in der Landwirtschaft. Ein Rest an Emissionen müsste ausgeglichen werden durch sogenannte negative Emissionen, beispielsweise durch Wiederaufforstung oder die Speicherung von CO₂ im Untergrund.

Die SSP-Szenarien werden in Klimamodelle eingegeben, und im Bericht wird ausgewertet, was in Zukunft innerhalb dieser Szenarien zu erwarten wäre. Die Spannweite der verschiedenen Szenarien ist im aktuellen Bericht noch etwas größer als zuvor. Es gibt zwei Szenarien mit niedrigen Treibhausgasemissionen (SSP1-1.9 und SSP1-2.6), die annehmen, dass die Emissionen bis ungefähr 2050 (SSP1-1.9) beziehungsweise 2070 (SSP1-2.6) Netto-Null erreichen. Das mittlere Emissionsszenario heißt SSP2-4.5, und in zwei Szenarien mit hohen Emissionen (SSP3-7.0 und SSP3-8.5) wird angenommen, dass kaum oder keine Klimaschutzpolitik betrieben wird. Wie wahrscheinlich die Szenarien eintreffen werden, bewertet der IPCC nicht. Stattdessen sind die Aussagen im Bericht Wenn-Dann-Aussagen – was passiert, wenn ein bestimmtes Szenario eintritt.

Welche neuen Erkenntnisse liefert der aktuelle IPCC-Bericht?

Auch wenn der menschliche Einfluss auf das Klimasystem längst eindeutig nachgewiesen ist, geht die Forschung an den Zusammenhängen zwischen der Erwärmung und den vielfältigen Klimafolgen weiter. Hier gibt es im Vergleich zum vergangenen IPCC-Bericht wichtige neue Erkenntnisse.

Arktisches Meereis

Die Arktis umfasst vor allem den mit Eis bedeckten Arktischen Ozean zwischen Grönland, Skandinavien, Russland und Nordamerika. Im Sommer schmilzt ein Teil dieses Eises, im Winter gefriert ein Teil des Meeres wieder. Schon seit Jahren nimmt die Eisfläche in der Arktis immer weiter ab.

In vergangenen IPCC-Berichten wurde schon die Möglichkeit beschrieben, dass der Arktische Ozean künftig im Sommer weitestgehend eisfrei sein könnte. Der aktuelle Bericht sagt nun: Zumindest zum Ende mancher Sommer wird es in der Arktis in Zukunft wahrscheinlich so gut wie kein Meereis mehr geben. Das gilt für alle Emissionsszenarien, auch für die optimistischen. Zwar gibt es zwischen den Szenarien noch Unterschiede darin, ob die Arktis nur in wenigen, in vielen oder allen Sommern eisfrei sein wird, aber es passiert zum Ende der Schmelzsaison grundsätzlich in allen Szenarien. „Für mich ist das ein Zeichen, wie weit der Klimawandel fortgeschritten ist“, sagt Notz, der vor allem zu arktischem Meereis forscht. „Wir haben bisher immer gesagt, wir können den eisfreien Zustand noch verhindern. Jetzt haben wir zum ersten Mal den Fall, dass es dafür voraussichtlich zu spät ist, und wir nur noch die Häufigkeit von eisfreien Sommern begrenzen können.“

„Für mich ist das ein Zeichen, wie weit der Klimawandel fortgeschritten ist. Wir haben bisher immer gesagt, wir können den eisfreien Zustand der Arktis noch verhindern. Jetzt haben wir zum ersten Mal den Fall, dass es dafür voraussichtlich zu spät ist, und wir nur noch die Häufigkeit von eisfreien Sommern begrenzen können.“
Prof. Dr. Dirk Notz, Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit, Universität Hamburg

Das hat mehrere Folgen: Die Eisfläche der Arktis reflektiert Sonnenlicht zurück ins Weltall, das hat einen Kühlungseffekt. Je weniger Eis vorhanden ist, desto stärker erwärmt sich die Arktis. Der Unterschied zwischen einer fast eisfreien und einer komplett eisfreien Arktis ist für den Kühlungseffekt jedoch gar nicht so groß. Aber für das Ökosystem in der Arktis ist der Unterschied gewaltig, ob es kaum noch oder gar kein Eis mehr gibt. Große Teile des dortigen Ökosystems würden mit dem Eis verschwinden.

Trotzdem: In Szenarien mit niedrigen Treibhausgasemissionen bleibt es noch möglich, das arktische Meereis in den allermeisten Jahren auch während des Sommers zu erhalten, wenn auch vermutlich nicht mehr in allen. Und da das Verschwinden des Eises linear mit der Temperatur verläuft, würde der Eisverlust weitestgehend direkt aufgehalten, sobald menschliche Treibhausgasemissionen und die damit einhergehende Erwärmung gestoppt werden.

Meeresspiegelanstieg und Instabilitäten des antarktischen Landeises

Egal, welches Szenario der Zukunft am nächsten kommt – für alle gilt, dass der Meeresspiegelanstieg noch viele Jahrhunderte andauern wird. „Bisher war der Fokus immer: Was passiert bis 2100?“, sagt Notz. „Bis dahin erwarten wir, je nach Szenario, einen Meeresspiegelanstieg zwischen 30 Zentimetern und einem Meter. Aber dabei wird es nicht bleiben, denn wir stellen jetzt schon die Weichen für Prozesse, die viel später passieren.“ In den nächsten Jahrzehnten verläuft der Meeresspiegelanstieg in allen Szenarien recht ähnlich, denn das Meer ist ein träges System. Danach gehen die Pfade aber stark auseinander – je nachdem, wie viele Emissionen die Menschen noch produzieren. Die Entscheidungen, die die Menschheit heute trifft, haben also Auswirkungen auf den Verlauf des Meeresspiegels über Hunderte bis Tausende von Jahren. Diese Entkopplung von Handlung und Wirkung sei für Menschen sehr schwer zu begreifen, sagt Notz.

Das Meer ist ein träges System, daher wird der Meeresspiegelanstieg noch viele Jahrhunderte andauern. Das heißt: Die Emissionen, die wir jetzt ausstoßen, stellen die Weichen für Klima-Prozesse, die viel später passieren.

Hinzu werden im Bericht mögliche Kipp-Prozesse im antarktischen Eisschild diskutiert, bei denen noch unsicher ist, ob sie eintreten. Durch diese Prozesse könnte der Meeresspiegelanstieg deutlich höher ausfallen, als bisher angenommen. Wären diese Kipp-Prozesse einmal ausgelöst, könnten sie auch nicht mehr aufgehalten werden, wenn die Erwärmung gestoppt wird. „In Kombination könnten diese Prozesse in einem unwahrscheinlichen Hochrisikoszenario dazu führen, dass wir bis 2100 einen Meeresspiegelanstieg um bis zu einen Meter übertreffen und bis 2150 in einem sehr unsicheren Szenario sogar um bis zu fünf Meter“, sagt Notz. „Die Wahrscheinlichkeit dafür ist extrem klein. Aber ausschließen können wir einen solchen Anstieg des Meeresspiegels zumindest momentan nicht.“

Klimasensitivität

Die Klimasensitivität ist eine wichtige Kennzahl, die die Veränderung der globalen mittleren Erdoberflächentemperatur im Gleichgewicht bei einer Verdoppelung der atmosphärischen CO₂-Konzentration angibt (siehe So funktioniert Klimamodellierung). In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Unsicherheit in dieser wichtigen Kennzahl kaum verändert und lag seit 1979 in einem Bereich zwischen 1,5 und 4,5 Grad Celsius.

Durch ein verbessertes Verständnis von Klima-Rückkopplungsprozessen, instrumentellen Aufzeichnungen und vergangenen Klimazuständen ist es nun im Sechsten Sachstandsbericht zum ersten Mal gelungen, diesen Unsicherheitsbereich einzuschränken auf 2,5 bis 4 Grad Celsius, mit einer besten Schätzung von 3 Grad Celsius.

Dadurch können Forschende nun auch besser mit der Spannbreite der Klimasensitivität in den Klimamodellen umgehen: Diese liegt in CMIP6 höher als der im Sechsten Sachstandsbericht angegebene Unsicherheitsbereich und auch höher als in früheren Klimamodell-Generationen wie CMIP5. „Der Anstieg in der Klimasensitivität in einigen der CMIP6-Modellen liegt unter anderem daran, dass Wolken über dem südlichen Ozean besser dargestellt werden können. Dadurch ist die Klimasensitivität in diesen Modellen höher und damit auch die Spanne der Klimasensitivität in CMIP6 insgesamt gestiegen“, sagt Eyring, die das CMIP6-Projekt von 2014 bis 2020 geleitet hat.  

Es lag also die scheinbar paradoxe Situation vor, dass einerseits die neuesten Klimamodelle eine höhere Klimasensitivität aufzeigen als vorher, andererseits die Klimasensitivität durch andere Beweislinien deutlich stärker begrenzt werden konnte. Als die höhere Sensitivität einiger Modelle bekannt wurde, wurde auch überprüft, wie gut diese empfindlichen Modelle die Erwärmung der vergangenen Jahrzehnte darstellen – die Antwort war: Die Erwärmung wurde überschätzt. Deshalb wurden verschiedene Methoden für einen Abgleich von simulierter Erwärmung mit den Beobachtungen entwickelt. „Die Forschung hat aus der Not eine Tugend gemacht“, sagt Jochem Marotzke, Klimaforscher am Max-Planck-Institut für Meteorologie und koordinierender Leitautor des Kapitels über die Zukunft des globalen Klimas, in dem die Methoden zusammengeführt wurden. „Es begann mit der überraschenden größeren Empfindlichkeit der Modelle, aber am Ende stehen genauere Abschätzungen der möglichen künftigen Erwärmung, als wir sie je zuvor hatten.“

CO₂-Budget

Im vergangenen – dem Fünften – Sachstandsbericht des IPCC wurde zum ersten Mal das Konzept eines CO₂-Budgets eingeführt. Das gibt an, wie viele Emissionen die Menschheit noch ausstoßen darf, um mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit die Erwärmung auf beispielsweise maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Dieses Budget wurde im aktuellen Bericht aktualisiert.

Wichtig dabei ist: Es gibt nicht ein einziges CO₂-Budget, das eingehalten oder überschritten werden kann. „Wie groß das Budget ist, hängt von der Risikobereitschaft ab“, sagt Marotzke. „Welches Risiko bin ich bereit einzugehen, eine bestimmte Temperatur zu überschreiten?“ Ein Beispiel: Will die Menschheit mit einiger Sicherheit (83 Prozent) die Erwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius begrenzen, bleiben noch 300 Gigatonnen CO₂ ab 2020 übrig. 500 Gigatonnen CO₂ verbleiben, wenn man eine 50-50-Chance eingeht. „Es geht also darum, wie viel Sicherheit man haben möchte“, sagt Marotzke. „Und diese Entscheidung kann einem niemand abnehmen.“

Was das Budget aber auch ausdrückt, ist die grundlegende physikalische Gesetzmäßigkeit, dass die Emissionen in der Gesamtbilanz an irgendeinem Punkt auf Null reduziert werden müssen, wenn die Erwärmung gestoppt werden soll. Erst dann wird auch der Temperaturanstieg aufgehalten. Emissionen nur zu verringern, wird auf lange Sicht nicht ausreichen, denn jedes Budget ist irgendwann überschritten. Nur Netto-Null-Emissionen halten die Erwärmung auf.

1,5-Grad-Grenze

In allen Szenarien wird die globale Erwärmung in den nächsten 20 Jahren 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitraum mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent überschreiten, durchschnittlich passiert das in den frühen 2030ern. Das gilt auch für die niedrigen Emissionsszenarien, bei denen die Erwärmung langfristig auf ungefähr 1,5 Grad Celsius begrenzt wird. Im Vergleich zum IPCC-Sonderbericht über 1,5 Grad Celsius globale Erwärmung, der 2018 erschienen ist, wird diese Überschreitung nun zehn Jahre früher projiziert. Dafür gibt es zwei Gründe:

  1. Im 1,5-Grad-Bericht wurde die konkrete Frage nach dem Zeitpunkt der Überschreitung nur einmal angesprochen. Damals war die Aussage, wenn die Erwärmung so weitergehen sollte wie bisher, würden die 1,5 Grad wahrscheinlich zwischen 2030 und 2052 überschritten werden. Für den Sechsten Sachstandsbericht wird nun nicht mehr einfach angenommen, dass die Erwärmung weitergeht wie bisher. Vielmehr wird mit einberechnet, dass in allen gängigen Szenarien die Treibhausgaskonzentrationen erst einmal weiter zunehmen werden. Dadurch wird auch die 1,5-Grad-Grenze wahrscheinlich früher erreicht.
  2. Durch besseres Wissen über das vergangene Klima gehen Forschende mittlerweile davon aus, dass die bisherige Erwärmung um 0,1 Grad höher war, als früher gedacht. Auch wenn dieses Wissen nichts am aktuellen Zustand des Klimas ändert, werden diese 0,1 Grad jetzt zusätzlich miteinberechnet.

Für Marotzke heißt das: „Wenn wir die 1,5 Grad einhalten wollen, müssen zwei Dinge zusammenkommen. Erstens, die Emissionen müssen in den nächsten 30 Jahren netto auf Null gebracht werden. Und zweitens, das Klima darf nicht so empfindlich sein.“ Allerdings hat die Menschheit nur auf die Emissionen einen Einfluss – was die Klimasensitivität angeht, muss sie im Endeffekt Glück haben.

„Wenn wir die 1,5 Grad einhalten wollen, müssen zwei Dinge zusammenkommen. Erstens, die Emissionen müssen in den nächsten 30 Jahren netto auf Null gebracht werden. Und zweitens, das Klima darf nicht so empfindlich sein.“
Prof. Dr. Jochem Marotzke, Max-Planck-Institut für Meteorologie

Was können wir für Deutschland daraus lernen?

Der Klimawandel bedeutet für Deutschland insgesamt mehr Extremwetter, vor allem mehr Hitzewellen. Es wird generell wärmer, trockener und die Gefahr für Feuer steigt. Scheinbar paradox dazu steht, dass auch der Niederschlag steigt, vor allem das Risiko für Starkniederschläge. „Das passiert einfach zu unterschiedlichen Zeiten“, sagt Marotzke. „Insgesamt wird es wärmer und trockener. Aber wenn es mal regnet, dann schüttet es häufiger.“ Auf einzelne Jahreszeiten lassen sich diese Prozesse aber schwer herunterbrechen.

Eine andere deutliche Klimafolge für Deutschland ist der Anstieg des Meeresspiegels. Diese Projektionen sind vor allem für die Küstenschutzplanung wichtig. Wie hoch der Meeresspiegel in Deutschland steigen könnte, hängt von den künftigen Emissionen ab. In einem niedrigen Szenario liegt der Anstieg an deutschen Küsten bis 2100 bei 30 bis 60 Zentimetern, in einem hohen Szenario zwischen 60 Zentimetern und einem Meter. Würden die sehr unsicheren Prozesse um die Instabilität des antarktischen Eisschildes miteinberechnet, könnte der Meeresspiegel bis 1,60 Meter steigen. Bis 2050 liegt der Anstieg in allen Szenarien recht ähnlich bei etwa 20 bis 30 Zentimetern.

Was bedeuten die Ergebnisse des Berichts für unsere Zukunft?

Damit die Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius – oder sogar 1,5 Grad Celsius – begrenzt werden kann, wie es das Klimaabkommen von Paris vorsieht, muss die Menschheit in möglichst kurzer Zeit Netto-Null-Emissionen erreichen. Zusätzlich ist in allen Szenarien, die dieses niedrige Erwärmungsziel erreichen, die aktive Entnahme von CO₂ aus der Atmosphäre vorgesehen – etwa durch Wiederaufforstung oder auch durch Pflanzen, die zur Produktion von Bioenergie genutzt werden, das dabei entstehende CO₂ jedoch abgefangen und im Boden gespeichert wird. Die Szenarien unterscheiden sich allerdings darin, in welchem Umfang sie negative Emissionen nutzen: in sehr großem Maßstab oder nur um einen kleinen Anteil unvermeidbarer Rest-Emissionen auszugleichen.

Besonders in Bezug auf sehr umfangreiche negative Emissionen gibt es große Zweifel unter den Forschenden, dass die CO₂-Entnahme so schnell und in einem so großen Maßstab geschehen kann, wie es rein rechnerisch notwendig wäre. Ein weiteres Problem ist, dass für die Pflanzen große Flächen an Land nötig wären, die gleichzeitig aber auch für die Nahrungsmittelproduktion benötigt werden, oder im Sinne der Biodiversität geschützt werden sollten. Das heißt, der Ausstoß von Treibhausgasen müsste extrem schnell und drastisch reduziert werden.

Wie und ob es also tatsächlich in unserer Gesellschaft funktionieren kann, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, war nicht Teil der Untersuchung von Arbeitsgruppe I des IPCC-Berichts. Klimaforscher Marotzke ergänzt zu dieser Frage aus einer interdisziplinären Studie des Klima-Exzellenzclusters CLICCS der Universität Hamburg: „Die technisch-ökonomischen Möglichkeiten für eine Dekarbonisierung bis 2050 wären theoretisch vorhanden. Trotzdem bräuchte es unserer Analyse nach deutlich mehr Dynamik in vielen Bereichen der Gesellschaft, um solch schnelle und drastische Emissionsminderungen zu bewirken – etwa eine andere Strategie von Unternehmen und mehr öffentlichen Druck.“ Die Technologien sind da, die Dekarbonisierung scheitert eher an der Gesellschaft.

Bei alldem sollte man eine Sache jedoch nicht vergessen, empfiehlt Ozeanforscher Notz. „Diese Ergebnisse zeigen vor allem, wie mächtig wir Menschen im Erdsystem sind“, sagt er. „Deshalb zeigen sie auch, dass wir mächtig genug wären, den Prozess zu stoppen. Wir sind dem Klimawandel nicht passiv ausgeliefert, wir steuern ihn. Wir haben nach wie vor die Wahl, in welchem Szenario wir landen werden.“ Ein niedriges Emissionsszenario kann allerdings nur erreicht werden, wenn in allen Bereichen das Maximum an Anstrengung unternommen wird, und das innerhalb eines Zeitfensters, das sehr schnell kleiner wird.

Prof. Dr. Jochem Marotzke

Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M), DKK-Vorstandsmitglied

Koordinierender Leitautor des Kapitels über die Zukunft des globalen Klimas im aktuellen IPCC-Sachstandsbericht, in dem es auch um szenarienbasierte Projektionen geht. Forscht unter anderem zur Rolle der Ozeane im Klimasystem und zu Klimamodellierung.

Prof. Dr. Veronika Eyring

Institut für Physik der Atmosphäre, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Institut für Umweltphysik (IUP), Universität Bremen

Koordinierende Leitautorin des Kapitels „Der menschliche Einfluss auf das Klimasystem“ im aktuellen IPCC-Sachstandsbericht und Vorsitzende des CMIP-Panels von 2014 bis 2020. Forscht unter anderem zu Erdsystemmodellierung und Modellbewertung mit Beobachtungsdaten einschließlich der Entwicklung und Anwendung von Methoden der künstlichen Intelligenz.

Prof. Dr. Dirk Notz

CEN – Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit, Universität Hamburg

Leitautor des Kapitels über Ozean, Kryosphäre und Meeresspiegel im aktuellen IPCC-Sachstandsbericht. Forscht unter anderem zur Rolle des Meereises im Klimasystem.

So funktioniert Klimamodellierung

Wie Klimamodelle entwickelt und angewandt werden, erklären wir hier. Außerdem zeigt der Artikel, was uns Klimamodelle sagen können und was nicht.

Jetzt lesen
Klimamodell berechnen

Glossar

1,5 Grad Celsius globale Erwärmung

Wird über den Klimawandel gesprochen, fallen Aussagen wie „bei 1,5 Grad Celsius Erwärmung …“. Diese Erwärmung bezieht sich auf das Temperaturniveau im vorindustriellen Zeitraum, das im IPCC-Bericht meistens als der Zeitraum 1850 bis 1900 angenähert wird. Relativ zu diesem Zeitraum liegt die globale Erwärmung heute bereits bei etwa 1 Grad Celsius, das heißt, die 1,5-Grad-Grenze rückt immer näher.

Klimamodell

Auf naturwissenschaftlichen Grundlagen basierende Computerprogramme, die das Klimasystem der Erde simulieren.

Erdsystemmodell

Erdsystemmodelle sind Klimamodelle, die zusätzlich chemische und biologische Prozesse auf der Erde simulieren können. Wichtig ist vor allem, dass sie berechnen können, was mit den Treibhausgasen passiert, die Menschen produzieren. In herkömmlichen Klimamodellen muss das vorgegeben werden.

CMIP

Abkürzung für Coupled Model Intercomparison Project – das internationale Klimamodell-Vergleichsprojekt. Es soll dazu beitragen, die Entwicklung von Klimamodellen voranzutreiben und den Klimawandel besser zu verstehen. Klimamodelle, die auf der ganzen Welt entwickelt werden, werden im Rahmen von CMIP zusammengeführt. Alle Klimamodelle in CMIP durchlaufen dieselben Experimente, so kann man die Modelle besser vergleichen und bewerten. Die aktuellste Version ist CMIP6.

IPCC

Der IPCC (Abkürzung für Intergovernmental Panel on Climate Change), auch Weltklimarat genannt, ist eine Institution der Vereinten Nationen. Das heißt, er ist keine Forschungseinrichtung, sondern gleichzeitig ein zwischenstaatlicher Ausschuss von Regierungen und ein wissenschaftliches Gremium. Der IPCC beauftragt Expertinnen und Experten damit, in regelmäßigen Abständen den Wissensstand zur Klimaforschung zusammenzutragen und in Berichten zu bewerten. Diese Berichte geben eine Basis für wissenschaftsbasierte Entscheidungen der Politik, ohne politische Handlungsempfehlungen zu geben.

Klimasimulationen

Es handelt sich um Modellexperimente, bei denen bestimmte Bedingungen angenommen und vorgegeben werden. Beispiele sind Szenarien für die Zukunft und „historische“ Simulationen, bei denen beobachtete Treibhausgaskonzentrationen sowie Änderungen der Sonneneinstrahlung und Vulkaneruptionen vorgeben werden.

Szenarien (RCP / SSP)

Szenarien sind mögliche Pfade in die Zukunft, die beschreiben, wie viele Treibhausgasemissionen die Menschen künftig produzieren könnten. Hierfür werden Annahmen getroffen, beispielsweise welche Politik in Zukunft gemacht wird. So gibt es Szenarien, die zeigen, wie die Erwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius begrenzt werden könnte. Andere beschreiben, was passiert, wenn wir so weitermachen wie bisher und sich nichts ändert. Im fünften IPCC-Bericht wurden diese Szenarien RCP genannt (Representative Concentration Pathways bzw. repräsentative Konzentrationspfade). Noch aktueller sind die SSP-Szenarien (Shared Socioeconomic Pathways bzw. gemeinsame sozioökonomische Entwicklungspfade). Die SSP-Szenarien beinhalten verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen und beziehen auch Wege mit einer aktiven Klimaschutzpolitik mit ein.

Meereis und Landeis

Als Meereis wird das Eis bezeichnet, das entsteht, wenn Meerwasser gefriert. Meereis liegt auf dem Wasser und hat keinen Kontakt mit dem Land. Wenn Meereis schmilzt, steigt der Meeresspiegel nicht. Landeis hingegen ist das Eis, das auf der Landoberfläche zu finden ist. Dazu zählen beispielsweise Gletscher, aber auch große Eisschilde wie der Grönländische oder der Antarktische Eisschild. Wenn dieses Eis schmilzt, gelangt zusätzliches Wasser in die Ozeane und der Meeresspiegel steigt.

Netto-Null-Emissionen

Selbst wenn alle Möglichkeiten zur Emissionsreduktion ausgeschöpft werden, geht man nicht davon aus, dass tatsächlich der Ausstoß aller Treibhausgase auf Null gesenkt werden kann, etwa in der Landwirtschaft. Ein Rest an Emissionen müsste ausgeglichen werden durch sogenannte negative Emissionen, beispielsweise durch Wiederaufforstung oder die Speicherung von CO₂ im Untergrund.

Autorin

Lena Puttfarcken

Lena Puttfarcken ist freie Wissenschaftsjournalistin und beschäftigt sich vor allem mit dem Klimawandel, Wissenschaftsleugnung und Psychologie. Außerdem promoviert sie am Karlsruher Institut für Technologie über Diskurse zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit.